Der Friseur als Intrigant zwischen den Ständen. Barbiere aus bekannten Opern inspirieren einen multi-medialen Musik-Theaterabend mit angehenden Friseur*innen, zwei Schauspielern, einem Konzertchor und einer Jugendband
Der Umzug der Staatsoper Unter den Linden in das Schiller Theater in Charlottenburg-Wilmersdorf (2001) inspirierte Rainer O. Brinkmann zu diesem außergewöhnlichen Projekt. Dessen Ziel war das aktive Kennenlernen der Nachbarschaft. Das Oberstufenzentrum Körperpflege (OSZ), das sich in unmittelbarer Nähe zum Opernhaus befand, bildet unter anderem junge Friseure aus. Doch Friseur und Oper – wie passt das zusammen?
Der Friseurberuf hat auf doppelte Weise mit der Oper zu tun – zum einen gibt es ihn als Mitarbeiter*in im Opernbetrieb (Maske), zum anderen als Figur in bekannten Opern wie „Der Barbier von Sevilla“, „Figaro“ oder „Wozzeck“. Dafür, dass diese Schnittstellen der beteiligten Institutionen und Akteure erkennbar werden und auf künstlerische Weise miteinander kommunizieren konnten, sorgte die Künstlergruppe „post theater“. Zusammen mit den Auszubildenden des OSZ erarbeiteten sie eine Unterrichtseinheit zum Thema „Kommunikationstraining für das Friseurgespräch“, die mit ca. 100 Azubis durchgeführt wurde.
Der Abend bestand aus einer klassischen Theatersituation, einer Führung durch Theater und Schule und einer intimen Friseursituation, bei der der Zuschauer im direkten Kontakt mit einem persönlichen Friseur war und die Haare frisiert bekam (sic!). Diese drei Teile wurden von den Zuschauern in verschiedener Reihenfolge erlebt.
Kernstück des Abends war die Situation in 48 Einzelkabinen, wo die angehenden Friseur*innen ihre "Kund*innen" in ein von ihnen bewusst gelenktes Gespräch nach den erlernten Grundlagen verwickelten. Themen dieser intimen Konversation waren unter anderem: Ängste und Hoffnungen der Friseurschüler, die Gründe für die Berufswahl, ihre Vorstellungen von der Reputation des Berufs, und die Möglichkeiten der Musik als Inspiration für das Frisieren. Zehn Minuten nach Gesprächsbeginn erschien der Konzertchor der Staatsoper und begann, Arien aus den Figaro-Opern zu singen, wobei die Sängerinnen und Sänger einzeln durch die Salons gingen, so dass jeder "Kunde" gleichzeitig den Gesamtklang der Arrangements hörte und zusätzlich eine einzelne Stimme wahrnehmen konnte.
Parallel dazu fand eine Führung vom Schiller Theater hinaus ins OSZ Körperpflege statt, durch zwei Figuren in barocken Kostümen mit gigantischen weißen Perücken: ein großer seitlich gesetzter "Irokesenschnitt" (Ø 1,95 m) und ein riesiger weißer Lockenkopf, ein „Afro“. Die beiden erzählten Geschichte(n) des Schiller Theaters und damit verbundene Intrigen über die Schauspiel und Regie-Prominenz der 50er und 60er Jahre. Die Führung spielte mit einer doppelten Vergangenheit: der des Barock mit zahlreichen Anspielungen auf die Figaro-Trilogie von Beaumarchais und der Vergangenheit des Schiller Theaters. Motive aus den „Friseur-Opern“ wurden auf die legendäre Theaterwelt des Schiller Theaters angewendet.
Verbunden wurden die beiden Teile durch eine klassische Bühnensituation, in der die beiden Figuren auf der Bühne agieren – allerdings mehr als tanzende Objekte: im "Afro" der einen Figur ist ein Beamer versteckt, der auf den „Irokesen“ des anderen schwarz-weiße Videobilder projiziert, darunter Referenzen auf die Friseurschüler*innen und auf deren Salonsituation. Dieser Video-Tanz wurde von Musikschüler*innen des Jugend- und Kulturzentrums "Spirale" live begleitet. Sie hatten in eigenen Kompositionen und Arrangements die musikalischen Themen aus den Opern "frisiert" und für eine Rockband eingerichtet.
Idee: Rainer O. Brinkmann
Regie: posttheater
ML: Frank Flade